Von Mistelbach bis Budapest: Warum queerer Aktivismus Kontext braucht

Der Pride Month ist zu Ende.

Ein Monat, in dem queere Themen traditionell mehr Sichtbarkeit bekommen, Unternehmen ihre Logos einfärben und an vielen Orten der Welt Pride-Paraden stattfinden. Doch nun wird es wieder leiser. Sichtbarkeit lässt nach, Aufmerksamkeit verschiebt sich – die Realität vieler queerer Menschen bleibt jedoch dieselbe.

Umso wichtiger ist es, auch darüber hinaus laut auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und konkrete Verbesserungen einzufordern.


Rechte, die erkämpft wurden – und weiter erkämpft werden müssen

Gerade auf Bundesebene braucht es starke Interessenvertretungen, die Missstände sichtbar machen, Forderungen klar formulieren und politischen Druck ausüben. Denn viele der heute bestehenden Rechte queerer Menschen wurden nicht geschenkt – sie wurden erkämpft. Und dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei.

Ein zentrales Anliegen ist derzeit der Nationale Aktionsplan gegen Hasskriminalität (NAP), wie ihn zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen darunter auch die Mistelbach Pride unter dem Hashtag #NAPjetzt fordern. Ziel ist ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Prävention, Erfassung und wirksamen Ahndung von Hassverbrechen – insbesondere gegen LGBTIQ*-Personen. Österreich fehlt bislang ein kohärenter, ressortübergreifender Plan, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und gemeinsam mit der Community erarbeitet wird.


Aktivismus im ländlichen Raum: Sichtbarkeit, die verbindet

Anders als auf Bundesebene oder in den großen Städten zeigt sich queerer Aktivismus im ländlichen Raum oft leiser – und gleichzeitig nicht weniger bedeutsam. Denn während in urbanen Zentren klare Forderungen, Sichtbarkeit und öffentlicher Druck zentrale Mittel sind, braucht es am Land häufig einen anderen Zugang: einen, der sich an den Gegebenheiten vor Ort orientiert, der Dialog schafft statt bloß Konfrontation – und der Berührungspunkte entstehen lässt, wo zuvor Distanz herrschte. Beispiele dafür sind Initiativen wie die Mistelbach Pride im niederösterreichischen Weinviertel, die Arbeit der Heublumen in ländlichen Regionen Salzburgs oder viele weitere kleinere queere Netzwerke. Sie alle setzen auf nachhaltige Sichtbarkeit, die sich in den Alltag einfügt, regionale Besonderheiten berücksichtigt und so Schritt für Schritt Verständnis aufbaut.

Denn eines ist klar: Eine noch so gute Gesetzeslage bringt wenig, wenn sie nicht von der Bevölkerung mitgetragen wird. Wenn wir langfristig gleiche Rechte und echte Gleichstellung wollen, dann müssen wir auch jene mitnehmen, die queeren Lebensrealitäten bisher wenig begegnet sind. Und genau das gelingt dort, wo Aktivismus nahbar, respektvoll und lokal verankert ist.


Aktivismus über die Grenzen hinaus: Mut und Solidarität

Und manchmal braucht es Aktivismus, der laut, sichtbar und kompromisslos widerständig ist. So etwa bei der Budapest Pride 2025, die unter schwierigen politischen Bedingungen stattfand: Die ungarische Regierung hatte versucht, die Parade per Gesetz zu verbieten. Doch die Stadt Budapest und ihr Bürgermeister stemmten sich dagegen – und ermöglichten eine Veranstaltung, die für viele zur lautstarken Demonstration gegen queerfeindliche Politik weltweit wurde.

Was besonders bewegt hat: Rund 200.000 Menschen gingen auf die Straße – trotz des Risikos polizeilicher Repressionen und möglicher rechtlicher Konsequenzen. Wir durften mit Menschen vor Ort sprechen, die ihre Dankbarkeit darüber ausgedrückt haben, dass so viele Unterstützer*innen aus anderen EU-Ländern angereist waren. „Weil wir uns so nicht allein fühlen“, sagte uns eine Person.

Und genau das war spürbar: Liebe ist immer stärker als Hass. Diese Form des Aktivismus lebt von kollektiver Präsenz, mutigem Widerstand und internationaler Solidarität – dort, wo Menschenrechte konkret bedroht sind. Queerer Aktivismus kann viele Gesichter haben: Er kann politisch fordernd sein, verbindend und dialogorientiert wie im ländlichen Raum oder kämpferisch und laut wie in autoritären Systemen.

Was all diese Formen eint: Sie sind notwendig – und sie ergänzen einander. Denn nur wenn wir auf allen Ebenen aktiv bleiben – lokal, national und international – kann Gleichstellung nicht nur erreicht, sondern auch bewahrt werden. Lasst uns also auch über den Pride Month hinaus gemeinsam laut bleiben. Für Sichtbarkeit. Für Sicherheit. Für Solidarität. 🌈



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